Freitag, November 12, 2010

Wie tief kann man fallen?

In der Schweiz sind Preise "tief".

Um genau zu sein sind sie das nicht, sie sind im europäischen Vergleich eher hoch. Aber man verwendet "tief" wo in Deutschland eher das Wort "niedrig" gebraucht wird. Der Teutone verwendet "tief" z.B. für Wassertiefe. Wie tief ist der Bodensee? Im Schwimmbad, am Beckenrand stehend, wundert er sich: Wie tief das Wasser hier wohl ist? Also eine gedankliche Messung ab dem Fussboden in Richtung Erdmittelpunkt. Vom Bezugspunkt der Schuhsohle aus also ist bei "tief" ein negativer Wert zu erwarten. (Ja klar, Konventionssache. Genau wie bei dem so einzigartig intuitiv naheliegenden Begriffspaar Soll und Haben.)

"Niedrig" dagegegen wird in Deutschland für positive, jedoch im Vergleichssystem nicht sonderlich grosse Werte gebraucht. In der Deutschweiz ist es mehr oder weniger umgekehrt. Bzw. "niedrig" ist gar nicht im schweizerdeutschen Wortschatz enthalten. Die "tiefe Mauer" wirkt daher auf den Grosskantonisten eher irritierend.

Können wir demzufolge davon ausgehen, dass die Swisscom mit ihrem deutschen Chef Carsten Schloter, getreu ihrem auf die Preise der Dienstleistungen bezogenen Werbespruch "Tiefer als man denkt", den Kunden Geld zurückerstattet?

Wir werden weiter darüber nachdenken und deren Abrechnungen genauer prüfen. Bis dahin ist festzuhalten, dass der Graben zwischen Deutschland und der Schweiz noch immer recht, äh, tief? oder niedrig? ist.

Grüsse
Peter Practice

Samstag, November 06, 2010

Zum Thema Cloud Computing

Ein nicht unwesentliches Risiko im Zusammenhang mit Cloud Computing sind die Informatikverantwortlichen selber. Die Entscheider in den Unternehmen, die über die Umstellung auf Cloud Computing zu befinden haben.

Nebst allen technischen und organisatorischen Risiken bei Datenschutz und Datensicherheit ist es - wie so oft - der Faktor Mensch, der über Erfolg und Misserfolg eines solchen Projekts entscheidet.

These
Beginnen wir mit einer Vermutung: Die kritischen Daten vieler Unternehmen wären heute bei Google oder Amazon deutlich besser aufgehoben, besser geschützt und höher verfügbar, als es die Informatikabteilungen der eigenen Firma heute zu leisten vermögen.


Das Problem
Kunden- und Lieferanteninformationen, Produktstammdaten, Rezepturen, personenbezogene Daten der eigenen Mitarbeiter, E-Mails und sonstige unternehmenskritischen Datenbestände werden durch die eigene IT-Abteilung sehr häufig nur unzureichend bewirtschaftet, sind nicht genügend vor unberechtigtem Zugriff geschützt, gehen nach wie vor gelegentlich verloren, Veränderungen werden nicht gespeichert, Backups werden nicht in der nötigen Frequenz und Qualität gemacht, Mutationen werden nicht konsistent eingepflegt und lassen sich nicht auf zeitpunktbezogene Freigaben zurückverfolgen, ganze Systeme und geschäftskritische Applikationen sind genau dann nicht verfügbar, wenn sie am dringensten gebraucht werden.

Selbst einmal hochsichere und mit neuester Technik ausgestatte Rechenzentren auf dem eigenen Betriebshof werden bereits nach kurzer Zeit nicht mehr den Anforderungen gerecht oder können mit dem aktuellen Stand der Sicherheitstechnologie nicht mithalten. Dies könnten sie zwar, wenn nicht die einst Verantwortlichen noch heute stolz auf ihren mutigen, damaligen Investitionsentscheid zur bestmöglichen RZ-Technologie sind und nun nicht mehr bereit sind, die notwendigen Aktualisierungsinvestitionen zu bewilligen.  Nur noch wenige Mitarbeiter wissen, dass der Zustand "State of the Art" bereits 1992 war und seiter nichts mehr verändert wurde.

Über die Unzulänglichkeiten der Organisation wird regelmässig berichtet, selbst die elementarsten Grundlagen, wie z.B. das Anfertigen einer umfassenden Systemdokumentation und Changelogs, werden immer wieder ignoriert. Und führen zu Konsequenzen, über die in der Presse zu lesen ist. Jeder hat auch schon einmal vom Server mit unternehmenskritischen Daten und Applikationen unter dem Schreibtisch des CFO gehört. Der dann schlagartig sein Prozessorleben aushaucht, wenn die Putzfrau abends versehentlich (oder von der Konkurrenz durch geeignete Massnahem dazu "ermutigt") ihren Eimer umkippt.


Die Lösung - eigentlich nicht schwierig...
Als praktische Entscheidungshilfe, ohne langes Getue und umständliches Evaluieren, empfehlen wir, einen Vergleich folgender Art anzustellen: Was können wir selber vs. was bietet uns Google? Dies ist, wenn es aufrichtig und ehrlich sein soll, nicht leicht zu beantworten, aber wir sind der Überzeugung, eine derartig komparativ angelegte Analyse ist der beste Weg zur Entscheidung. Das ist aber nicht so einfach, wie es vielleicht erscheint:


Der Dienstleister
Was Google und Konsorten zu leisten vermögen, ist relativ gut dokumentiert und kann - dies ist ein wesentlicher Vorteil - sogar umfänglich und einfach ausprobiert werden. Services wie Google Mail und Google Apps, Docs, Text & Tabellen sind vom Heimgebrauch schon hinlänglich bekannt. Man weiss, was diese Dienste bieten und was nicht. Entsprechende Lösungen für Unternehmen können ebenfalls gratis oder nahezu kostenlos ausgetestet werden.


Dazu im Vergleich
Was aber können wir selber? Meistens nicht viel und damit wäre eigentlich die Lösung erkannt, hier steckt in Wahrheit aber das Problem. Sofern wir uns über die eigenen Defizite im Klaren sind und diese nüchterne Antwort geben können, sollte der Fall klar sein. Zahnbürste und Reisepass einpacken und Take-off in die Wolke (Cloud). Am besten noch heute.

... aber
Leider aber verlassen wir genau auf dieser vermeintlichen Zielgeraden die viel zitierte Informatik-Autobahn und begeben uns in die morastigen Pfade der Organisationspsychologie. Komplexe Persönlichkeitsstrukturen, die der CIOs und der wirklichen Entscheider (oftmals nicht dieselbe Person) treten als allwissende Gurus auf und halten sich selbst für die Grössten. Die Allest-Wissendsten unter den Allwissenden. Und diese - meist - Herren fürchten um Verlust von Macht und Kontrolle, wenn sie Teile der von ihnen verantworteten Funktionen ausser Haus und in die Wolke geben.


Die Leserschaft merkt, wo es hinführt: Nirgends hin. Wir versinken im eigengemixten Longdrink aus Groupthinkvodka und Mega-Ego-Rum unser betrieblichen Entscheidungsgremien. Wer bei den so genannten Verhaltensökonomen hinhört, weiss, dass der "homo oeconomicus" längst ausgestorben ist, sofern es ihn überhaupt je gegeben hat. Ab jetzt regieren Alphatiere mit stark ausgeprägtem Machtmotiv. Diese fürchten den Kontrollverlust (LOC) noch mehr als Piloten grosser Verkehrsflugzeuge und tun alles, diesen zu verhindern.

Es ist schon bizarr, wie schnell wir angesichts der dramatischer Entscheidungssituation zum Cloud Computing  in ein von den drei preussischen Verwaltungsregeln geleitetes Verhalten fallen:
  1. Das war schon immer so!
  2. Das war noch nie so!
  3. Da könnte ja jeder kommen!
So oder so ähnlich manifestiert sich das sichtbare Meideverhalten der Topmanager, die Hintergründe jedoch bleiben ungewiss. Die vorgeschobenen Gründe, warum man auf keinen Fall zu Google und Konsorten gehen dürfe, sind alles andere als stichhaltig und sind oft von lächerlicher Substanz und gerne auch unbeeinflusst von jeglicher Vernunft. Argumentiert wird mit der Logik eines sechsjährigen Kindes, "Ich will aber!", bzw. "Ich will aber nicht!".



Empfehlung
Die hier nur angedeuteten Problemfelder Groupthink, Machtmotiv und bestimmt auch das Kommunikationsverhalten und die gegenseitige Wertschätzung der Topmanager, die über Cloud Computing zu entscheiden haben, sollten von den Anbietern solcher Dienstleistungen als kritische Faktoren in ihren Vertriebsstrategien berücksichtigt werden. Die technische Qualität des Cloud Computing etablierter Anbieter tritt angesichts der "weichen" Faktoren in den Hintergrund.

Wir wollen hier keineswegs zum Ausdruck bringen, dass Anbieter von Cloud Computing alles perfekt beherrschen, es dort keine Probleme und Pannen gibt, oder dass ein Wechsel zu Google, Amazon oder anderen Anbietern grundsätzlich besser ist. Das nicht.

Unser Beitrag zeigt vielmehr einige Problemfelder bei der Beurteilung eigener Kompetenzen auf. Diese Problemfelder liegen weitab der Technik und der Finanzen häufig im Verhalten der für die Entscheide zuständigen Personen und deren Persönlichkeitsstruktur. Anspruchsdenken, Machterhalt und Furcht vor Kontrollverlust, oft auch die Gestaltung der betrieblichen Anreizsysteme sind, idealerweise durch organisationspsychologisch geschultes Fachpersonal, zu untersuchen und in der Entscheidungssituation zu berücksichtigen.

Nur so ein Gedanke von
Peter Practice